Eltern sein in der Krise

Wir haben mit den Kolleg*innen mit Kindern geredet – es ist nicht einfach, es ist eigentlich ganz schön schwer. Also was hilft?

Die vergangenen fast zwei Jahre waren und sind nach wie vor für uns alle eine Herausforderung. Aber besonders für die Kleineren und Jüngeren  war  die  Zeit  geprägt  von  einschneidenden Erlebnissen. Verwirrung, Verzicht, Isolation, Unsicherheit. Kindergarten und Schulen waren geschlossen, immer wieder führen Corona-Infektionen dazu, dass die Kinder zuhause bleiben müssen. Für uns Eltern ist das, um ehrlich zu sein, kaum schaffbar. Home-Office, Betreuungspflichten, Ausgleich zu Schule oder Kindergarten sein, über die neuesten Maßnahmen Bescheid wissen, möglichst nicht streiten oder diskutieren und im besten Fall den Adventskalender schon vor dem 1. Dezember fertig haben und den Adventskranz gleich selber basteln. Immerhin ist es kein Gesichtsverlust, wenn in der Stadt der Weihnachtsbaum nicht direkt aus dem Wald geholt wird.  Und wenn man denkt, man hat es geschafft, weil man fürs Kind ein Wichtelgeschenk aufgetrieben hat und der Lockdown sich lockert, und Silvester eigentlich wunderschön war und man fürs neue Jahr so viel vor hat… Ja, dann kommt auch schon ein Anruf von der Schule oder dem Kindergarten. Jemand ist positiv. Das Kind muss zu Hause bleiben. Man selbst nun mal auch. Wieder Home-Office, wieder versuchen, den Kleinen zu beschäftigen, wieder verwunderte und traurige Augen, die zu einem aufblicken und fragen, wann es vorbei ist.

Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist nicht schaffbar in dieser Zeit, perfekt zu sein. Für niemanden. Und das ist okay.

Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist nicht schaffbar in dieser Zeit, perfekt zu sein. Für niemanden. Und das ist okay. Weder die Eltern, noch das Kind müssen in Krisen Hochleistung erbringen, jede Erwartung erfüllen und so tun, als wäre alles wie immer. Das können wir nämlich auch gar nicht. Also schrauben wir unsere Ansprüche runter. Das betrifft die Hausarbeit und auch den Job. Denn jetzt jeden Tag frisch geduscht, mit sauberem, angezogenem Kind in der blitzblank geputzten Wohnung zu sitzen, macht die Krise auch nicht erträglicher. Und ist auch nicht die psychische Belastung wert.

Was hilft also in Krisenzeiten?

Es geht nicht darum, dass die Kinder ein schlaues Buch nach dem anderen lesen und super Noten schreiben und eine neue Fremdsprache lernen. Es geht nicht darum, dass die Eltern 20 verschiedene Kekssorten backen, sich nichts anmerken lassen und das Home-Office und die Aktivitäten für das Kind pädagogisch höchst wertvoll sind. Es geht darum, möglichst gut gemeinsam durch diese Zeit zu kommen. Das wissen auch die Kinder. Also sollen sie ihre Comics lesen oder zum 62. Mal “Frozen” schauen (Wir möchten an dieser Stelle zu Abwechslung “Encanto” empfehlen). Man muss nicht einen riesigen Ausflug planen, schon eine halbe Stunde an der frischen Luft kann für alle eine Erleichterung sein.

Halt geben und Strukturen schaffen

Auch wenn sich ständig alles ändert – Schließung, Öffnung, neue Maßnahmen, so kann man im Kleinen Strukturen schaffen. Wann stehen wir auf, wann ziehen wir uns an, wann gehen wir ins Bett, wann gehen wir raus, wann räumen wir auf, bis wann wollen wir das Puzzle fertig haben und wann schauen wir zum 63. Mal “Frozen”? Das gemeinsame Planen kann den Kids auch ein stückweit helfen, Kontrolle und Perspektiven zurück zu erlangen.

Reden. Zuhören. Verstehen. Verwöhnen.

Kinder merken, wenn etwas nicht stimmt. Deshalb ist es wichtig, mit ihnen zu sprechen. Kindgerecht zu vermitteln, was gerade passiert. Fragen beantworten, nachfragen. Was sind die Sorgen der Jüngeren, was macht ihnen Angst, was brauchen sie gerade? Wir alle gehen unterschiedlich mit Krisen um: Manche brauchen Ruhe, manche brauchen Ablenkung, manche brauchen Zeit für sich, manche brauchen Beschäftigung. Es ist für Eltern nicht einfach, sich das zu nehmen, was man braucht. Aber man kann sich selbst mitteilen. Wenn man müde ist, kann man das mitteilen. Kinder verstehen das – einfach ehrlich mit ihnen reden, sie haben Verständnis und Empathie, auch wenn sie beaufsichtigt werden oder spielen wollen, sie stellen sich darauf ein. Und zufriedene Kinder machen vieles einfacher. Darum darf es auch mal ein Eis mehr sein oder eine Woche nur mit Lieblingsessen. Oder sich verkleiden und zu Hause eine Onesie-Party machen. Wir müssen derzeit alle auf sehr viel verzichten – lassen wir zumindest im Kleinen eine bisschen die Sau raus.

Um für die Jüngeren gut da sein zu können, bedeutet das auch, auf uns selbst zu schauen. Es ist nicht einfach, oder immer möglich, besonnen und ruhig alles zu erklären, zwischen Home-Office und Hausaufgaben und dem Geschirrtuch in der Hand: Telefonieren mit Freund*innen oder aber auch Angebote zur Entlastung nutzen, wie zB die Corona-Sorgenhotline (01400053000). Für sich selbst mal was Gutes tun, das Kind in einen Video-Call mit Großeltern oder Bekannten setzen und selbst kurz durchschnaufen. Und akzeptieren, dass es gerade nicht perfekt sein muss. Wir können stolz auf das sein, was wir bereits geschafft haben. Als Eltern. Als Familie. Und wir können stolz sein auf unsere Kinder. Und sie das wissen lassen.