Mein Alltag mit Soziophobie

Schon seit ich mich erinnern kann, war ich eher zurückhaltend und schüchtern: Als Kind war ich skeptisch gegenüber Menschen, die ich nicht kannte und spielte ausschließlich mit meinen drei besten Freunden. Das alles war aber wahrscheinlich noch im Rahmen. Während meiner Pubertät ist es aber viel schlimmer geworden: Ich entwickelte eine immer größere Angst, vor mehreren Menschen zu sprechen. Musste ich ein Referat in der Schule halten, war ich schon zwei Wochen davor nervös. Ich konnte nur mehr an diesen einen Tag denken: Werde ich stottern? Wie werden die anderen reagieren? Werde ich eh keinen Blödsinn reden? 

Die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse zu haben, war für mich die reinste Qual. Dass ich dann noch anfing zu schwitzen, zu stottern und rot zu werden, war natürlich auch nicht förderlich. Jetzt im Berufsleben muss ich ein paar Mal im Jahr Präsentationen und Workshops halten. Das fällt mir alles andere als leicht: Ich bereite mich akribisch vor, damit ich ja nicht aus dem Konzept gebracht werden kann. Passiert das doch einmal, kommt sofort die Sorge, dass ich mich blamieren könnte und die Angst vor dem Urteil der anderen. Wahrscheinlich merken meine ZuhörerInnen das alles gar nicht. Mit jeder Präsentation werde ich zum Glück ein bisschen selbstsicherer. 

Im Privatleben macht sich meine Soziophobie auch bemerkbar: Große Feiern meide ich aus Angst, mit Fremden Smalltalk führen zu müssen. Die fänden mich doch eh uninteressant. Ich habe schon eine Handvoll gute FreundInnen. Die wissen natürlich über meine Erkrankung Bescheid und können mich daher ein bisschen besser verstehen. Mit ihnen kommuniziere ich vor allem via WhatsApp: Ich schaffe es nur selten, mich neben meinem anstrengenden Arbeitsalltag abends oder am Wochenende in ein Lokal zu schleppen und mich mit ihnen zu treffen. Solche hektischen Umgebungen machen mich nervös und ich fühle mich dort fehl am Platz. 

Auch wenn sich das alles schrecklich anhört: Es wird besser. Seit drei Jahren mache ich eine Verhaltenstherapie, die mir sehr weiterhilft. Langsam aber stetig merke ich, wie mir gewisse Dinge leichter fallen: Ich traue mich zum Beispiel endlich, in einem Geschäft nach Beratung zu fragen und Arzttermine telefonisch statt per Mail zu vereinbaren. Für andere mag das vielleicht ganz normal sein, für mich ist es aber ein großer Schritt. Anderen Betroffenen möchte ich mit auf den Weg geben, dass es zwar eine große Überwindung ist, über seine Erkrankung zu reden, aber sehr wichtig ist: Nur so können wir die Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen abbauen und uns gegenseitig zeigen, dass wir nicht alleine sind!