Wie oarg ist es eigentlich, dass unsere Sprache immer noch psychische Erkrankungen stigmatisiert?

Wie wir Sprache benutzen, definiert uns selbst und unser Verhalten. Sprache spiegelt die Gesellschaft wieder, durch sie drücken wir soziale Vorstellungen aus und schaffen Normen. So wie sich unsere Gesellschaft verändert, verändert sich auch unser Sprachgebrauch und umgekehrt. Sprache kann inklusiv sein oder ausgrenzend wirken – sie schafft Möglichkeiten von Teilhabe und Sichtbarkeit, sie kann jedoch auch stigmatisieren und diskriminieren.

Das erleben wir auch bei Wörtern, die psychische Erkrankungen oder Erkrankte abwerten und so zu einem anhaltenden Stigma beitragen. Wörter wie… 

  • wahnsinnig
  • gestört
  • HysterikerIn
  • Psycho
  • Irrenanstalt
  • Klapsmühle oder Klapse
  • schwachsinnig
  • zurückgeblieben
  • abartig

sind tief in unserer Umgangssprache verwurzelt und ihre Herkunft wird uns oft erst auf den zweiten, hinterfragenden Blick klar.

Als Argument gegen eine sogenannte „politisch korrekte“ Sprache wird häufig angeführt, dass sie umständlich sei oder diskriminierende Begriffe ja gar nicht so gemeint sind. Aber wir müssen uns Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen Sprache auf uns, auf unser Gegenüber und auf unsere Gesellschaft hat, weil Sprache nachhaltig verletzen kann. Wir haben ErfahrungsexpertInnen direkt gefragt, was diskriminierende Sprache für sie bedeutet: 

“Es tut weh, wenn Erkrankungen, an denen man selbst leidet, als Attribute verwendet werden, die etwas Negatives, nicht „Normales“ oder Übertriebenes ausdrücken sollen “, sagt Manuel H., der seit Jahren mit einer Persönlichkeitsstörung lebt. „Meine Familie und Freude wissen über meine psychische Erkrankung Bescheid. In alltäglichen Konversationen kommt es schon mal vor, dass sie in meinem Beisein Sätze verwenden wie ‚Die waren so abartig drauf…‘ oder ‚Sie hat sich aufgeführt wie eine Irre…‘, etc. Mir ist bewusst, dass sie diese Worte nicht böswillig verwenden oder mich und meine Erkrankung damit nicht denunzieren wollen – ich weiß, dass ich auf eine volle Unterstützung ihrerseits vertrauen kann. Trotzdem fällt es mir schwer, es zu ignorieren. Es fühlt sich an, als würden sie unterbewusst schlecht von mir denken.“

Sprache beeinflusst unser Verhalten und wie wir Sachverhalte einschätzen. Und zwar nicht nur in uns selbst, sondern auch in unseren GesprächspartnerInnen – besonders wenn wenig oder lückenhaftes Wissen über ein Thema vorhanden ist.

Denn unser Gehirn versucht Unbekanntes zu erforschen, indem es sämtliche aufgeschnappte Information zu einem stimmigen Bild zusammenzufügen versucht.

Je öfter wir also Phrasen hören, die psychische Erkrankungen in einem negativen Kontext darstellen oder abfällige Begriffe diesbezüglich verwenden, desto eher verhärtet sich die Stigmatisierung. Wenn sich auf diese Weise ein negatives Bild von psychischen Erkrankungen verfestigt hat, dann fällt es uns aber auch selbst schwerer, darüber zu reden, uns zu informieren oder uns Hilfe zu holen, wenn wir selbst oder Menschen in unserem Umfeld davon betroffen sind.

Deshalb ist es uns bei #darüberredenwir so wichtig, Informationen bereitzustellen und Dialoge über das facettenreiche Thema psychische Gesundheit anzustoßen. Wir können uns gegenseitig dabei unterstützen, die richtigen Worte zu finden und unsere Stimme proaktiv zu nutzen. 

Mit ein bisschen mehr Aufmerksamkeit in unserem täglichen Sprachgebrauch, können wir das Stigma psychischer Erkrankungen reduzieren und unsere Gesellschaft positiv verändern.